Globaler Wandel im Kunstlicht
m brandenburgischen Stechlinsee erforschen Gewässerökologen wie Tiere in der Nacht auf künstliches Licht reagieren. Sie wollen damit das globale Problem der Lichtverschmutzung und seine Auswirkungen auf die Ökologie besser verstehen. Einige Erkenntnisse dazu hat man in den letzten Jahren schon gesammelt.
In den Nächten ist unsere Erde schon lange nicht mehr dunkel. Unzählige künstliche Lichtquellen erhellen unsere Städte und Straßen. Doch das Licht breitet sich nicht nur direkt von den Lichtquellen aus. Es wird auch diffus über fast den gesamten Erdball gestreut. „Himmelsleuchten“ nennen Physiker das Phänomen. Das in den Nachthimmel abgestrahlte Licht wird von kleinsten Teilchen in der Luft, den Aerosolen, und Wolken in der Atmosphäre wieder in Richtung Erde zurückgeworfen, sodass ein glühendes Gewölbe am Himmel entsteht.
Kaum ein Gebiet auf der Erde ist somit von der so genannten Lichtverschmutzung nicht mehr betroffen. Besonders schwer ist es, solche unbeeinflussten Regionen im dicht besiedelten Deutschland zu finden. Doch jetzt haben Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) ein Gebiet ausfindig gemacht. Der Stechlinsee im Norden Brandenburgs. Mit Sensoren, die die Forscher auf dem See aufstellten, fanden sie heraus, dass der Nachthimmel über dem Stechlinsee heute noch nahezu so dunkel ist wie in klaren, mondlosen Nächten vor Einführung der elektrischen Beleuchtung. „Besonders überrascht hat uns, dass trotz der Nähe zu Berlin die Himmelshelligkeit über dem Stechlinsee durch Wolken sogar noch weiter herabgesetzt wird. Eigentlich ist das normal, trifft aber heute nur noch auf ganz wenige Regionen der Welt zu“, sagt der Physiker Dr. Andreas Jechow vom IGB.
Die Wissenschaftler am IGB wollen nun erforschen wie die Lebewesen im See vor allem auf das diffuse Himmelseuchten reagieren. „Wir haben dazu eine spezielle Beleuchtungsanlage konstruiert“, sagt Jechow. Die Forscher haben eine Versuchsanlage aus 24 Zylindern im See verankert. Die Zylinder haben einen Durchmesser von neun Metern und reichen 20 Meter in die Tiefe. Für die Versuche entwickelten die IGB-Wissenschaftler ein spezielles System mit LED-Leuchten, mit dem das diffuse Licht des Himmelsleuchtens im Seelabor simuliert wird. „Am Stechlinsee wollen wir diese besondere Form der Lichtverschmutzung - den sogenannten Skyglow untersuchen“, erklärt Andreas Jechow. Das wurde bisher noch nie in einem kontrollierten Outdoor-Experiment durchgeführt.
Um die Reaktionen auf das Kunstlicht im Ökosystem See zu verfolgen, werden in den nächsten Wochen Proben genommen. Die Forscher wollen das Wanderverhalten von Wasserflöhen und Fischen beobachten. „Wir erwarten, dass primär das Verhalten von Zooplankton wie etwa das von Wasserflöhen, von Kunstlicht beeinflusst wird“, vermutet Jechow. Normalerweise steigt das Zooplankton im Schutz der Nacht zur Nahrungsaufnahme nach oben und konsumiert Algen. Die Raubfische können das Zooplankton nicht visuell wahrnehmen und dementsprechend schlecht nachts jagen. „Ist Kunstlicht vorhanden könnte das Zooplankton entweder gar nicht nach oben steigen, oder es wird oben von den Räubern sofort gesehen und gefressen“, vermutet Jechow. „Wir sind gespannt.“