Eine schwankende Beziehung
Für die Erde ist die Sonne Energiespender und Motor unseres Lebens und Klimas. Die Sonne sendet uns ein breites Spektrum an Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung. Dieses Spektrum reicht von der Röntgenstrahlung, über ultraviolette Strahlung, über das sichtbare Licht zur Infrarotstrahlung bis zur Mikrowellenstrahlung. Mal etwas mehr, mal etwas weniger erwärmt die Strahlung die Erdatmosphäre und Oberfläche, je nach Jahreszeit, geografischer Lage und lokalem Wetter. Das hat zur Folge, dass Stürme entstehen, dass Wasser in den Ozeanen zirkuliert, Wüsten sich ausbreiten oder sintflutartige Regenfälle niederprasseln.
Physikalisch kommen im Schnitt am oberen Rand der Erdatmosphäre 1361 Watt pro Sonneneinstrahlung Quadratmeter an. Jedoch trifft davon pro Quadratmeter nur ein Viertel auf der Erdoberfläche auf. Davon werden nochmal 30 Prozent ins Weltall zurückgeworfen insbesondere von Wolken und der Erdoberfläche, was zur Folge hat, dass die natürlichen Schwankungen der Sonnenstrahlung die obere Atmosphäre viel stärker viel beeinflussen als bodennahe Schichten. Nur etwa 70 Prozent der 1361 Watt werden letztendlich von der Atmosphäre oder von der Erdoberfläche als Wärme aufgenommen.
Doch die Strahlung, die die Sonne zur Erde schickt, schwankt schon beim Aussenden. Wie sich die Strahlung verändert beobachtet Dr. Natalie Krivova am Max-Planck Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Die Astronomin erstellt Sonneneinstrahlungsmodelle um herauszufinden ob eine schwankende Sonneneinstrahlung womöglich dazu beiträgt, dass sich die Erde erwärmt bzw. abkühlt. An der Wand hat Krivova eine weiße Schreibtafel. Darauf hat sie mit rotem Filzstift eine lachende Sonne in die Ecke gemalt.
Eine wichtige Frage, die Natalie Krivova und ihr Team umtreibt, hat ihnen der Klimawandel gestellt. »Wir fragen uns, ob eine veränderte Sonneneinstrahlung auf der Erde zum Klimawandel beiträgt«, erklärt Krivova. »Vielleicht wirkt sogar eine reduzierte Sonnenaktivität gegen eine Klimaerwärmung?« Krivova und ihr Team haben die Sonnenaktivität über die letzten Jahrhunderte simuliert. »Wenn wir wissen wollen, in wie weit Treibhausgase für die Erwärmung der Erde verantwortlich sind, müssen wir auch wissen welchen Einfluss die Sonne hat«, erläutert die Astronomin. Die Strahlung, die die Erdatmosphäre erreicht, schwankt in einem regelmäßigen elfjährigen Zyklus. Das kann man an den Veränderungen der Sonnenflecken auf der Oberfläche des Sterns sehen. Wenn besonders viele Sonnenflecken auftauchen ist die Einstrahlung auf der Erde am höchsten. Dann nimmt die Strahlung, die die Erde erreicht, um etwa ein Watt zu. Das klingt gering, hat aber große Auswirkungen auf das Leben auf der Erde. So gab es im 17. Jahrhundert in Europa eine besonders kalte Periode. Eis und Schnee bedeckten die Landschaft bis weit in den Frühling hinein. Maler wie der Niederländer Hendrick Avercamp hielten dieses Phänomen in Bildern fest. Avercamp zeigt zum Beispiel in seinem Bild IJsvermaak (Eisvergnügen) Menschen auf einem zugefrorenen Kanal in den Niederlanden im kalten Winter 1608. Heute dagegen sind die Kanäle im Winter meist eisfrei.
Mit diesen elfjährigen Schwankungen der Sonneinstrahlung beschäftigt sich auch Hauke Schmidt vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. »Interessant ist für uns Atmosphärenforscher aber auch, dass das solare Spektrum sehr ungleichmäßig schwankt. Während im sichtbaren Bereich die Schwankung unter 0,1 Prozent liegt, beträgt sie im Ultravioletten mehrere Prozent und steigt für noch kürzere Wellenlängen in Richtung Röntgenlicht weiter stark an«, erklärt Schmidt.
Doch es gibt Hinweise, dass die Sonneneinstrahlung auf der Erde in den letzten 300 bis 400 Jahren insgesamt um rund ein Watt zugenommen hat. »Wir können jedoch eine erneute Abnahme der Sonneneinstrahlung in den nächsten Jahrzehnten auch nicht ausschließen«, sagt Krivova. »Aber wir dürfen auch nicht verharmlosen, dass Treibhausgase zur Erwärmung der Erde deutlich mehr beigetragen haben als die Sonne.«