Ehrung für Pioniere der Attosekundenphysik
Anne L'Huillier, Paul Corkum und Ferenc Krausz werden mit dem „Frontiers of Knowledge“ - Preis 2023 geehrt
er BBVA Foundation Frontiers of Knowledge Award in Basic Science geht in seiner fünfzehnten Ausgabe an drei Pioniere der ultraschnellen Laserphysik: Anne L'Huillier, Paul Corkum und Ferenc Krausz. In der Begründung für die diesjährige Auszeichnung heißt es, dass die Preisträger "gezeigt haben, wie man die Bewegung von Elektronen in Atomen, Molekülen und Festkörpern mit ultrakurzen Lichtpulsen auf Zeitskalen von etwa hundert Attosekunden beobachten und kontrollieren kann. Eine Attosekunde ist ungefähr die Zeit, die Licht braucht, um ein Atom zu durchqueren, und ist die natürliche Skala für elektronische Bewegungen in der Materie. Diese Zeitskala war bisher für experimentelle Studien unzugänglich, da es keine Lichtpulse mit ausreichend kurzer Dauer gab. Die Redaktion von Photonworld gratuliert Ferenc Krausz und den beiden anderen Koryphäen auf dem Gebiet der Attosekundenphysik.
Wie kurz ist eine Attosekunde? Unfassbar kurz, wie ein Hauch von Nichts. Eine erste Annäherung erhält man über die sprachliche Herleitung des Begriffs. Der Terminus technicus leitet sich vom dänischen Wort „atten“ ab, was der Zahl „18“ entspricht. Diese wiederum ist die Zehnerpotenz mit negativen Vorzeichen, die die Dauer einer Attosekunde als 10-18 angibt.
Eine Attosekunde, erklärt Paul Corkum, „verhält sich zu einer Sekunde wie eine Sekunde zum Alter des Universums. Können Sie sich etwas so Kurzes vorstellen?" In Zahlen ausgedrückt, ist eine Attosekunde ein Milliardstel einer Milliardstel Sekunde, also 0,000000000000000001 Sekunden.
In der Attophysik, so erklärt der Preisträger weiter, „geht es darum, die schnellsten Messungen zu machen, die wir als Menschen machen können. Und das ist es, was sie meiner Meinung nach an die Spitze des Wissens stellt".
Die von L'Huillier, Corkum und Krausz entwickelten Lasersysteme erzeugen ultrakurze Lichtpulse im Attosekundenbereich, die wie eine Kamera mit einer so schwindelerregend schnellen Verschlusszeit funktionieren, dass sie die Bewegung eines Wasserstoffatomelektrons einfangen können, das 150 Attosekunden braucht, um den Kern zu umkreisen.
„Die Idee ist die gleiche, wie wenn man die Bewegung eines Formel-1-Autos oder einer Kugel festhält. Man macht eine Reihe von Schnappschüssen und rekonstruiert dann, wie das Geschoss tatsächlich auf die Wand trifft", erklärt dazu Ferenc Krausz. Diese Schnappschüsse können dann in Zeitlupe wiedergegeben werden, um die Bewegung in all ihren Details zu sehen.
Dieser Durchbruch, der auf eine Reihe von Erkenntnissen der ausgezeichneten Forscher fußt, gelang im Jahr 2001 in Wien, jenem Jahr, das Ferenc Krausz folgerichtig als „Geburtsstunde der experimentellen Atomphysik“ bezeichnet. Das erfolgreiche Experiment öffnete nicht nur die Tür zu einer detaillierten Beobachtung der Elektronenbewegung, sondern konnte auch eine Reihe von Vorhersagen bestätigen, die bereits vor Jahrzehnten von der theoretischen Physik formuliert wurden und bis dahin im Labor nicht überprüfbar waren. Eine dieser Vorhersagen ist der so genannte Tunneleffekt, ein von der Quantenphysik vorhergesagtes Phänomen, bei dem ein Elektron in der Lage ist, eine Barriere zu passieren, zu deren Überwindung es theoretisch nicht die Energie hat. Obwohl es einige Hinweise auf die Existenz des Tunneleffekts in der Natur gab, konnte er nie in Echtzeit beobachtet werden. Dank der Technik von Corkum und Krausz, die auf der Entdeckung von L'Huillier aufbaut, konnte er nun zum ersten Mal auf „Film" gesehen werden.
Nachdem die Attosekundenphysik nun ihr unbestreitbares Potenzial offenbart hat, wollen die Preisträger sie nutzen, um die Geheimnisse der Materie, aus der die ganze Natur besteht, tiefer zu ergründen und Anwendungen in Bereichen wie der Elektronik oder der Biomedizin zu entwickeln.
„Dieser Forschungsbereich explodiert in alle Richtungen", sagt L'Huillier. "Ich hatte das Privileg, von Anfang an dabei zu sein, die Ideen wachsen zu sehen und die wichtigsten Schritte des Prozesses zu verfolgen. Auf die Frage nach der Zukunft des Projekts meint sie, dass es sich "in verschiedene Teilbereiche aufspalten wird", wie dies auch bei anderen, ihr nahestehenden Forschungsgebieten der Fall war.
Krausz konstatiert, dass die Attophysik eine neue Revolution im Computerbereich auslösen kann: „Elektronen spielen in Nanoschaltungen eine extrem wichtige Rolle, sie sind für das Ein- und Ausschalten des elektrischen Stroms und damit für die Verarbeitung von Informationen mit immer höherer Geschwindigkeit zuständig. Wenn wir die Signalverarbeitung beschleunigen und immer leistungsfähigere Computer bauen wollen, müssen wir wiederum verstehen, wie sich Elektronen in diesen winzigen Dimensionen bewegen. Und damit haben wir die Möglichkeit, die elektronische Signalverarbeitung bis an ihre Grenzen zu bringen.“
Er hat auch das Potenzial von Attosekundenpulsen für die Erkennung von Krankheiten erforscht. Wenn wir alle Zellen aus einer Blutprobe entfernen, erklärt er, bleibt als Flüssigkeit das Blutplasma oder Serum (je nach Behandlung) übrig. Die darin enthaltenen Moleküle liefern wertvolle Hinweise auf den Gesundheitszustand des Spenders, und der Wissenschaftler untersucht Möglichkeiten, Attosekundenpulse zur Gewinnung dieser Informationen zu nutzen.
Auch der Comicheld "Flash" weiß, wie kurz Attosekunden sind. Dies allerdings erst nach den bahnbrechenden Forschungsergebnissen von Anne L'Huillier, Paul Corkum und Ferenc Krausz. (c) DC / "Superman", Bd. 709, Mai 2011.
Dass die Generierung von Lichtblitzen im Bereich von Attosekunden nicht nur in der Physik für Furore sorgte, wofür die drei Preisträger nun abermals geehrt mit dem “Frontiers of Knowledge“- Award geehrt wurden, sondern überdies mittlerweile auch Einzug in die Populärkultur gehalten hat, ist eine weitere eher beiläufige Ehrung dieser Wissenschaftler. So verleiht im Jahr 2011 der Superheld „Flash“ aus dem DC-Comic Universum seiner vermeintlichen Überlegenheit gegenüber „Superman“ mit den Worten Ausdruck, dass er die Dinge um sich herum in weniger als einer „Attosekunde“ erfassen kann.