Im Licht der Schöpfung
Der dritte Tag der Schöpfungsgeschichte: ein Feuerwerk der Blütenpracht! | © Fotos: Veit Ziegelmaier

Im Licht der Schöpfung

Die Münchner St. Markus Kirche zeigt die Schöpfungsgeschichte in einem atemberaubenden Multimedia-Lichtspektakel

6. März 2023 | von Veit Ziegelmaier

Egal wie man es mit der Religion hält, am Ende ist man ob der gewonnen Eindrücke beseelt und fasziniert. Denn letztlich unterscheidet sich die Schöpfungsgeschichte, wenn man sie sinnbildhaft deutet, nur wenig von den Erkenntnissen der Evolution. Bis auf das auslösende Moment natürlich. In der Münchner St. Markus Kirche kann man jeden Abend noch bis zum 13. März 2023 das Wunder der Weltentstehung in ihren Anfängen nach dem Schöpfungsbericht der Genesis in einer immenseren, auf den speziellen Ort eigens abgestimmten Multimedia-Lichtshow erleben. Von der Entstehung des Lichts, der Entfaltung des Himmels und des Wassers, über die Ausbreitung der Landmassen, bis hin zum Gedeihen der Pflanzen in sagenhafter Blütenpracht. Nur der Mensch kommt darin nicht vor. Das stört überhaupt nicht.

Klang und Stille. Licht und Dunkel. Sinneseindrücke entfalten sich am besten durch Kontraste. Und so lädt seit Mitte Januar bis einschließlich 13. März 2023 die Münchner St. Markus Kirche in langen und stillen Winterabenden zu einem Lichtspektakel der ganz besonderen Art ein. Die auf Lichtproduktionen spezialisierte Firma „Aurorium“ hat zusammen mit dem Züricher Künstlerkollektiv „Projektil“ eine eigens auf die Innenarchitektur der Kirche abgestimmte Multimediashow konzipiert. Abstrakte und konkrete Bildanimationen illustrieren hier den Beginn der biblischen Schöpfungsgeschichte und fluten in einem alles überspannenden Lichtermeer den Kirchenraum.

Das göttliche Licht wird raumgreifend und kennt dabei den Welle-Teilchendualismus der Physik.

Am Anfang steht die Stille und Finsternis. Zaghaft entstehen mit „Tag 1“ erste Lichtpartikel, die vom Zentrum einer stilisierten Sonne sich über die Decke, den Chorraum und die Seitenwände ausbreiten. Allmählich werden daraus wellenförmige Linien, die in in exakter Präzision die Schwünge der Deckenstuckaturen nachzeichnen. Das göttliche Licht wird raumgreifend und kennt dabei den Welle-Teilchendualismus der Physik. Die auf Hell-Dunkel-Kontraste setzende Eingangssequenz des „Urlichts“ wird von den gleichnamigen Klängen Gustav Mahlers begleitet, ehe die Strukturen am „Tag 2“ sich zu blauen Stromlinien verändern, die unter Tropfenklängen zu Wasser- und Himmelsformationen werden und mit ihnen die ersten Einzeller im gefühlt kühlen Nass als Lebensformen auf- und abtauchen.

Am zweiten Tag schuf Gott eine Weite, um das Wasser zu trennen und nannte sie "Himmel".

Der dritte Tageszyklus ist zweigteilt. Radiale konzentrische Strukturen, die wie die Ringe des Saturn anmuten, künden im Kirchenraum in einem All-Over die Entstehung der Landmassen an. Dazu erklingen Klänge von Joseph Haydn.

Am dritten Tag schuf Gott den trockenen Boden und sammelte das Wasser. Er nannte den trockenen Boden "Land" und das gesammelte Wasser "Meere".

Im zweiten Teil kommt es zum Crescendo. Pflanzen in Form von Blättern und Blüten überziehen und überwältigen den Raum. Knospen sprießen und ploppen wie in Zeitraffer zu Blüten auf. Der Raum wird nun in ein intensives Farbenmeer getaucht, das die Natur in ihrer Anmut und deren Entstehungsprozesse wie ein Wunder feiert. Es folgt der letzte meditative Teil. Er ist von der eigentlichen Schöpfungsgeschichte abgetrennt. Leuchtende Laternen steigen in den Nachthimmel auf. Und tatsächlich entsteht jetzt die Illusion, dass das Tonnengewölbe der Kirche sukzessiv abgetragen wird und sich der Bau nach oben hin öffnet und der Münchner Nachthimmel die strahlend aufsteigenden Himmelskörper empfängt. Nach etwa einer halben Stunde ist der Zauber vorbei. Das Staunen in Form offener Münder wirkt noch einige Zeit beim Publikum nach. Ganz gleich ob gläubig oder abgeklärt. Die meisten verlassen in spürbarer Demut den Raum und entschwinden in die Nacht zu den Lichtern der Großstadt, die beeindrucken aber kaum berühren mögen. Die Produktion „Genesis“ mit ihren zahlreichen, jedoch nichtsichtbaren Hochleistungsprojektoren weiß zielsicher zu begeistern.

Anders als derzeit im Trend liegende Lichtausstellungen zu gefeierten Kunstschaffenden wie Vincent van Gogh oder Frida Kahlo, die anstatt der qualitativen Originale fast schon wie im Größenwahn übersteigerte immaterielle Projektionen zeigen, überzeugt das Künstlerkollektiv „Projektil“ mit eigenen künstlerischen Animationen, die nicht den Rang von Weltkunst für sich beanspruchen. Vielmehr wollen sie in ihrer Ästhetik in idealer Weise den Schöpfungsbericht zeitgemäß illustrieren. Gelegentlich droht die wie ein Feuerwerk alles vereinnahmende Blütenpracht auch mal kitschig zu werden, doch ist man als Zuschauer von diesem Kondensat der Schöpfung mit ihrer überschwänglichen Vielfalt und Reichtum bis zuletzt überwältigt. Der Mensch kommt bis zum Schluss nicht vor. Und dennoch ist er präsent in Form des Publikums. Er nimmt lediglich die Rolle des Zuschauers ein. Und das ist auch im übertragenen Sinne gut so.

Noch bis zum 13. März 2023 hat man die Gelegenheit diese Lichtshow in der St. Markus Kirche in der Gabelsbergerstraße zu sehen. Karten zu 15 Euro sind allerdings heiß begehrt.

Weitere Informationen findet man hier:

Genesis

in der St. Markus München: eine immersive Lichtshow (auroriumexperiences.com)