Der Laserstrahl als Pinzette
Ob Maurer, Maler oder Uhrenmacher – jeder Handwerker ist nur so gut wie sein Werkzeug. In der Wissenschaft ist das ebenso. Im Jahr 1970 erkannte der amerikanische Physiker Arthur Ashkin, dass Licht besonders effektiv Kräfte auf nur Mikrometer-große Latex-Kügelchen ausübt. Kurz darauf konnte er diese Teilchen bereits in einem Laserstrahl fixieren. Seit 1986 setzen Forscher stark fokussiertes Laserlicht als Pinzette oder auch als optische Falle ein. Das funktioniert bei Partikeln, biologischen Zellen und Atomen. Trifft ein fokussierter Laserstrahl auf eine optisch transparente Zelle wird sein Licht wie bei einer Linse gebrochen. Das übt Kräfte auf die Zelle aus, die sie in den Fokuspunkt des Strahls dirigieren. Von da aus geht es nicht mehr weiter, die Zelle ist fixiert. Wird der Strahl bewegt, bewegt sich die Zelle mit ihm.
Die „Pinzetten“ halten die Zellen so sanft, dass sie nicht beschädigt werden, denn die Kräfte, die das Licht ausübt, sind winzig. Sie liegen im Piconewton-Bereich. Zum Vergleich: Ein Newton ist ungefähr die Kraft, mit der ein 100 Gramm schwerer Körper aufgrund der Graviation nach unten gezogen wird. Ein Piconewton ist ein Billionstel dieser Kraft.
Mit neuesten optischen Fallen ist es sogar möglich, kleine Bakterien zu fangen, sie festzuhalten und auszurichten, obwohl sie ihre Form ständig verändern. Das gelang Wissenschaftlern um Prof. Alexander Rohrbach vom Institut für Mikrosystemtechnik der Uni Freiburg. Die Forscher erzeugten einen Schlauch aus Licht, darin fingen sie die Bakterien ein. Diese schraubenförmigen Bakterien sind nur rund 200 Nanometer dick, entsprechend der Dicke von rund 1.000 Atomen. Die so genannten Spiroplasmen verändern ihre Form rasant, denn sie besitzen keine starre Zellwand. Zusätzlich konnten die Forscher die schnellen Formänderungen des gefangen Bakterium mit einem weiteren Trick präzise vermessen. Das fokussierte Laserlicht wird an jeder Windung des Bakteriums anders abgelenkt, es überlagert sich mit nicht abgelenktem Licht und erzeugt veränderliche Interferenzmuster. So konnten die Freiburger bis zu 1.000 dreidimensionale Aufnahmen in der Sekunde erstellen. „Die Bewegungen der Bakterien sind mit extrem kleinen und vermutlich effizienten Energieveränderungen verbunden“, erklärt Alexander Rohrbach. Ohne den Schlauch aus Licht wären diese kaum zu messen und zu verstehen. Die Bewegungen haben die Biophysiker in einem Film festgehalten.
Ein lebendiger Laser
Einen besonderen Laser haben Prof. Malte Gather und Prof. Seok Hyon Yun im Jahr 2011 an der Harvard Medical School entwickelt. Als optischer Verstärker für das Licht diente eine lebende Zelle. Normalerweise übernehmen diese Aufgabe Materialien wie Kristalle, Farben oder Gläser.
Die beiden Wissenschaftler jedoch brachten eine menschliche Nierenzelle dazu, große Mengen des fluoreszierenden Proteins GFP (engl.: green fluorescent protein) zu bilden. Regt man dieses Protein mit blauem oder ultraviolettem Licht an, leuchtet es grün. Die Zellwand fungierte dabei als Linse, die das eintreffende Licht fokussiert. Um das Licht möglichst lange in der Zelle zu halten, fixierten die Forscher sie zwischen zwei Spiegeln. Das grüne Licht wurde dann als gebündelter Strahl ausgesandt und damit war das Lasersystem perfekt. Noch dazu scheint die Zelle über Selbstheilungsprozesse zu verfügen. Denn sie bildete das Protein nach, wenn es beschädigt wurde - beispielsweise durch zu hohe Temperaturen oder Anregungsintensitäten.
Der biologische Zell-Laser ist winzig. Die Zelle hat einen Durchmesser von höchstens 20 Mikrometern. Der Abstand der Spiegel ist nicht viel größer. Die Zelle sendet Laserpulse aus, die wenige Nanosekunden dauern.
Wie man nun die Laserlicht aussendenden Zellen einsetzt, ist noch nicht klar. Die Forscher wollen die Technik nutzen, um damit Prozesse in Zellen besser zu beobachten. Einzelne, zum Lasern angeregte Zellen, könnten anhand ihrer charakteristischen Strahlung wieder aufgefunden werden; etwa so wie im Supermarkt jedes Produkt einen einzigartigen Barcode hat. Das kann dazu beitragen, besser zu verstehen wie die Ausbreitung von Tumorzellen funktioniert oder welche Aufgaben Zellen bei der Immunabwehr übernehmen. Zudem dürfte es möglich sein, die Zellen bei so genannten photodynamischen Therapien einzusetzen. Dabei werden Medikamente durch Licht aktiviert.