
Blutbetriebene Kletterkunst
andersalamander sind dafür bekannt, dass sie durch die Baumkronen der Mammutbaumwälder an der Küste gleiten. Aber wie die kleinen Amphibien mit Leichtigkeit landen und starten, bleibt ein Rätsel. Eine neue Studie zeigt nun, dass die Antwort möglicherweise mit einem überraschenden Mechanismus zu tun hat: blutbetriebene Zehen.
Der wandernde Salamander Aneides vagrans kann das Blut in seinen Zehenspitzen schnell auffüllen, einfangen und ablassen. So kann er sich an Oberflächen anheften, loslassen und seine Fortbewegung optimieren. Das hat ein Team um Dr. Christian Brown, Postdoktorand für integrative Physiologie und Neurowissenschaften an der Washington State University (WSU), herausgefunden. Die Entdeckung zeigt nicht nur einen bisher unbekannten physiologischen Mechanismus bei Salamandern, sondern hat auch Auswirkungen auf Bionik inspirierte Designs. Die Erkenntnisse über die Mechanik der Salamanderzehen könnten zur Entwicklung von Klebstoffen, Prothesen und sogar Roboteranhängseln beitragen.
Die Erkenntnisse über die Mechanik der Salamanderzehen könnten zur Entwicklung von Klebstoffen, Prothesen und sogar Roboteranhängseln beitragen.
„Gecko-inspirierte Klebstoffe ermöglichen bereits die Wiederverwendung von Oberflächen, ohne dass diese ihre Klebrigkeit verlieren“, sagt Christian Brown. Das Verständnis der Salamanderzehen könnte zu ähnlichen Durchbrüchen bei den Befestigungstechnologien führen.
Salamander der Gattung Aneides mit ihren quadratisch geformten Zehenspitzen und den leuchtend roten „Blutseen“, die direkt unter ihrer durchscheinenden Haut zu sehen sind, haben Biologen lange Zeit vor ein Rätsel gestellt. Man glaubte, dass diese Merkmale die Sauerstoffversorgung fördern. Aber es gab keine Beweise dafür.
Browns Interesse an dem Thema geht auf eine unerwartete Beobachtung während der Dreharbeiten zum Dokumentarfilm „The Americas“ zurück.
Browns Interesse an dem Thema geht auf eine unerwartete Beobachtung während der Dreharbeiten zum Dokumentarfilm „The Americas“ zurück. Während er als Salamander-Experte am Set assistierte, hatte er die Gelegenheit, durch die leistungsstarken Kameraobjektive des Produktionsteams zu beobachten, wie sich die Amphibien fortbewegen. Dabei fiel ihm etwas Merkwürdiges auf: In die durchsichtigen Zehenspitzen der kleinen Kreaturen strömte Blut kurz bevor sie einen Schritt machten. Brown und Kameraassistent William Goldenberg beobachteten das Phänomen wiederholt. „Wir sahen uns an und fragten: „Hast du das gesehen?'“, sagte Brown.
Nach den Dreharbeiten fragte Brown den Kameramann, ob er daran interessiert sei, seine Filmausrüstung zu benutzen, um das, was sie beobachtet hatten, auf wissenschaftliche Basis zu stellen. Durch hochauflösende Videoversuche entdeckte das Team, dass wandernde Salamander den Blutfluss zu jeder Seite ihrer Zehenspitzen fein kontrollieren und regulieren. Dadurch können sie den Druck asymmetrisch anpassen, was den Halt auf unregelmäßigen Oberflächen wie Baumrinde verbessert. Überraschenderweise scheint das Blut, das vor dem Ablösen der Zehen einströmt, den Salamandern eher beim Ablösen als beim Festhalten zu helfen. Indem sie die Zehenspitze leicht aufblähen, verkleinern die Salamander die Kontaktfläche mit der Oberfläche, auf der sie sich befinden, und minimieren so die zum Loslassen erforderliche Energie. Diese Geschicklichkeit ist entscheidend, um sich auf den unebenen und rutschigen Oberflächen der Baumkronen zurechtzufinden und um beim Fallschirmspringen zwischen den Ästen sicher zu landen.
Erkenntnisse könnten über Aneides vagrans hinausgehen. Ähnliche durchblutete Strukturen finden sich auch bei anderen Salamander-Arten, einschließlich aquatischer Arten, was auf einen universellen Mechanismus zur Regulierung der Zehensteifigkeit hindeutet.
Originalpublikation:
Christian E. Brown et al.
Vascular and Osteological Morphology of Expanded Digit Tips Suggests Specialization in the Wandering Salamander (Aneides vagrans)
08 January 2025
Journal of Morphology, Volume286, Issue1