Mit dem Laser die Urerde erkundet
Sähe die Welt heute so aus wie vor viereinhalb Milliarden Jahren, wäre sie kaum wiederzuerkennen. Anstelle von Wäldern, Bergen und Ozeanen war die Oberfläche unseres Planeten damals vollständig von Magma bedeckt, dem geschmolzenen Gesteinsmaterial, das beim Ausbruch von Vulkanen an die Oberfläche kommt. | © Bilder: Tobias Stierli / NCCR PlanetS (Header) / Université de Paris / Institut de Physique du Globe de Paris (Artikelvorschau)

Mit dem Laser die Urerde erkundet

18. Dezember 2020 | von Thorsten Naeser/ETH

Neue Erkenntnisse über die Erdatmosphäre vor 4,5 Milliarden Jahren hat ein Team um Dr. Paolo Sossi von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich mit Hilfe eines Lasers gewonnen. Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf die Ursprünge des Lebens zu.

Sähe die Welt heute so aus wie vor viereinhalb Milliarden Jahren, wäre sie kaum wiederzuerkennen. Anstelle von Wäldern, Bergen und Ozeanen war die Oberfläche unseres Planeten damals vollständig von Magma bedeckt, dem geschmolzenen Gesteinsmaterial, das beim Ausbruch von Vulkanen an die Oberfläche kommt. Unklar ist hingegen, wie die Atmosphäre zu jener Zeit aussah. Neue Untersuchungen unter der Leitung von Dr. Paolo Sossi, vom Departement Erdwissenschaften der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), bringen nun weitere Geheimnisse der Uratmosphäre ans Licht. Dabei geholfen hat ein Laser, mit dem die Temperaturen auf der Erde nachgestellt wurden.

Unsere Erde war einst ein ungemütlicher Ort. „Vor 4,5 Milliarden Jahren tauschte auf unserem Planeten aufsteigendes Magma ständig Gase mit der Atmosphäre aus“, erklärt Paolo Sossi. „Luft und das Magma beeinflussten sich gegenseitig. Untersucht man das eine, lernt man auch etwas über das andere“, so Sossi.

Um die Uratmosphäre der Erde besser kennenzulernen, stellten die Geowissenschaftler im Labor ihr eigenes Magma her. Dazu mischten sie ein Pulver, das der Zusammensetzung des geschmolzenen Erdmantels entspricht, und erhitzten es. Das war schwieriger als es klingt, erzählt Sossi. „Die Zusammensetzung unseres mantelähnlichen Pulvers erschwerte das Schmelzen. Wir benötigten sehr hohe Temperaturen von etwa 2000 °C, damit es flüssig wird“.

In einem speziellen Ofen wurde dann das Pulver mit einem 125 Watt CO2-Laser Laser erhitzt. Die Forscher richteten das Licht auf Proben von rund fünf Millimeter Durchmesser. Zudem ließen die Geochemiker das Magma schweben, indem sie verschiedene Gasgemische darum herum strömen ließen. Bei diesen Gasgemischen handelte es sich um mögliche Kandidaten für die Uratmosphäre. So wie damals vor 4,5 Milliarden Jahren, beeinflussten auch die Gase im Ofen das flüssige Magma. Je nach Gasgemisch änderte sich die Zusammensetzung des Magmas.

„Uns interessierte vor allem das Eisen im Magma“, erklärt Sossi. „Wenn Eisen auf Sauerstoff trifft, oxidiert es und verwandelt sich in das, was wir als Rost bezeichnen“, sagt Sossi. Enthielt das Gasgemisch im Ofen also viel Sauerstoff, wurde das Eisen im Magma stärker oxidiert. Nachdem die Proben abgekühlt waren, analysierten die Forscher, wie stark das Eisen oxidierte. Anschließend verglichen sie die Messdaten mit Peridotiten. Diese Gesteine bilden den heutigen Erdmantel und tragen noch den Einfluss der Uratmosphäre in sich.

Urerde ähnlich der Venus

„Wir stellten fest, dass die junge Erde nach dem Abkühlen aus dem anfänglichen Magma-Zustand eine leicht oxidierende Atmosphäre mit Kohlendioxid als Hauptbestandteil sowie Stickstoff und etwas Wasser aufwies“, berichtet Sossi. Der Oberflächendruck war fast hundertmal höher und die Atmosphäre reichte aufgrund ihrer heißen Oberfläche wesentlich weiter ins Weltall. „Die Uratmosphäre war also jener der heutigen Venus ähnlicher als der heutigen Erdatmosphäre“, so Sossi.

Aus den Erkenntnissen ziehen Sossi und seinen Kollegen zwei Schlüsse: Die Erde und die Venus besaßen vermutlich in ihren Anfangsphasen ähnliche Atmosphären. Die Venus verlor aufgrund ihrer Nähe zur Sonne und der damit verbundenen höheren Temperaturen ihr Wasser. Die Erde jedoch behielt ihr Wasser. Das bedeckt heute den größten Teil der Erdoberfläche. Die Ozeane nahmen einen großen Teil des Kohlendioxids aus der Erdatmosphäre auf und reduzierten dadurch dessen Gehalt in der Luft erheblich.

Die zweite Schlussfolgerung ist, dass eine populäre Theorie über das Entstehen des Lebens auf der Erde nun viel unwahrscheinlicher erscheint. Basierend auf dem sogenannten „Miller-Urey-Experiment“ geht diese Theorie davon aus, dass Blitzeinschläge in Kombination mit Gasen, wie Ammoniak und Methan, zur Bildung von Aminosäuren führten, den Bausteinen des Lebens. Sossi dagegen glaubt, dass dieser Prozess eher unwahrscheinlich gewesen sein dürfte. Er ist überzeugt, dass die notwendigen Gase nicht in ausreichender Menge vorhanden waren.

 

Originalpublikation:

Paolo A. Sossi et al.:

Redox state of Earth’s magma ocean and its Venus-like early atmosphere

Science Advances 25 Nov 2020, Vol. 6, no. 48, eabd1387

DOI: 10.1126/sciadv.abd1387