Mandalas der Laserforschung
er Blick in die Sterne ist so alt wie die Menschheit. Schon früh hat man phantasievoll versucht, Formationen von Gestirnen als Sternbilder zu deuten, sie nach Gestalten der Mythologie zu benennen oder Tierkreiszeichen in sie hineinzulesen. Doch auch der Blick in den subatomaren Bereich, der in Summe erst das Große und Ganze ausmacht, weiß zu faszinieren und ist dank Laserforschung möglich geworden. Betrachten wir also wie junge Sternegucker einmal Aufnahmen aus dem Nanokosmos jenseits des Faktischen aus rein ästhetischen und kreativen Gesichtspunkten.
Vor blau-monochromen Hintergrund zeigt eine Aufnahme zwei füllhornartige Strukturen, die als Flügelpaar miteinander verbunden sind. Die ein- und ausschwingenden Formen bestehen aus einer grobkörnigen Struktur, die den Hintergrund zuweilen durchschimmern lässt und an den Rändern von Pixeln aus hellem Grün eingefangen werden. Die körnige Farbigkeit mag an tibetische Mandalas erinnern. Jene sind aufwändig gestaltete geometrisch-ornamentale Muster aus gefärbten Sandkörnern, die nach ihrer Fertigstellung wieder zusammengefegt werden. In ihrer ephemeren Erscheinung bekunden sie die Flüchtigkeit eines augenblicklichen Zustandes von Existenz, gerade so, wie es auch bei Messungen in der Forschung nach langwieriger Vorbereitung der Fall ist. Wie ein Vexierbild lassen die Formschwünge zugleich in ihren Aussparungen Negativformen entstehen. So kann man unterhalb der beiden Strukturen einen parabelartigen Kegelschnitt erkennen, über dem ein halbkreisförmiges Gebilde schwebt, wie die schematische Darstellung eines Berges, über dem Sonne oder Mond zu stehen scheinen.
Das Bild zeigt einen Shack-Hartmann-Wellenfrontsensor (bestehend aus einem Mikrolinsenarray und einer Kamera), der von einem runden Laserstrahl beleuchtet wird. Die Verzerrung an den Rändern deutet auf das Vorhandensein von sphärischen Aberrationen hin. Abbildung: Leonard Doyle
Eine andere Darstellung zeigt vor schwarzem Hintergrund einen aus zahlreichen gleißenden Punkten gebildeten kugelförmigen Körper, der wie eine Nagelskulptur von Günther Uecker wirkt. Von einer zentralen Lichtquelle beschienen, gleicht das Gebilde aus der Fernsicht einer verspiegelten Discokugel. Schon in der Antike galt die Kugel als die perfekte Form, Sinnbild ständiger Erneuerung und Symbol der Ewigkeit, auch oder gerade weil in der sichtbaren Natur keine perfekte Symmetrie vorherrscht.
Das Bild zeigt die Struktur des Kristalls CaF2, aufgenommen mit der Pikoskopietechnik des Teams um Prof. Eleftherios Goulielmakis. Die hellen Flecken sind Kalzium-Ionen, die dunklen Brücken sind Florin-Ionen aus einer der Kristallebenen.
Wie eine bewusst verschleierte Aufnahme von diagonal angeordneten Leisten mit gedimmten Glühbirnen, wirkt ein weiteres Bild einer Messung. Es lässt nur einen Ausschnitt erkennen, da es an den Rändern beschnitten ist und legt eine prinzipiell unendliche Fortsetzung dieses geometrischen Musters nahe. Die zugrundeliegende geordnete Struktur aus x-förmigen Komponenten und rautenförmigen Hohlformen, die sich zu ornamentalen Mustern addieren und verdichten, ergibt im Zusammenspiel mit der erzeugten Lichtstimmung ein Bildnis formvollendeter Harmonie und meditativer Ruhe und gewährt zugleich einen geheimnisvoll wirkenden Einblick in die Schönheit und Beschaffenheit von Materialstrukturen.
Das Bild zeigt ein Spektrogramm vibrierender Moleküle, die ein kohärentes elektrisches Feld aussenden, nachdem sie durch einen Infrarot-Laserpuls mit wenigen Zyklen angeregt wurden.
Ein Bild von besonderer abstrakter Qualität stellt das letzte Beispiel dar. In reich nuancierten zerfließenden Farbverläufen, die wie die Buntwerte eines Regenbogens das sichtbare Farbspektrum von Violett bis Rot abdecken, entsteht ein Bild, das assoziativ an das Pathos einer abendlichen Lichtstimmung über einer weiten Wüstenlandschaft mit angedeuteter Wasserquelle denken lässt. Das abstrakte Farbenspiel, das vordergründig die Farben losgelöst vom eigentlichen Gegenstand in ihren Eigenwerten feiert, ist umso eindrucksvoller, da es als Produkt eines bildgebenden Verfahrens, sich auf Zustände elektromagnetischer Wellenlängen bezieht und damit im eigentlichen Sinne eben gerade konkrete Phänomene der Natur darstellt.