Alte Fotos – neuer Dino
Lebendrekonstruktion von Tameryraptor markgrafi. | © Abbildung: Joshua Knüppe

Alte Fotos – neuer Dino

Münchner Paläontologen entdecken neue Raubsaurierart auf über 80 Jahre alten Fotos.

23. Januar 2025 | von Thorsten Naeser

Eine neue, rund 95 Millionen Jahre alte Raubsaurierart aus der Kreidezeit haben Münchner Paläontologen entdeckt. Das Besondere daran: Der originale Fossilfund aus Ägypten wurde vor 80 Jahren bei einem Luftangriff im zweiten Weltkrieg zerstört. Für ihre Arbeit werteten die Forschenden bisher unbekannte Archivfotos des noch intakten Dinosaurierskeletts aus der Zeit vor 1944 aus.

Die bewegte Geschichte des Fossils liegt weit in der Vergangenheit: Der Fund des Originalskeletts des großen Raubsauriers geht auf den Münchner Paläontologen Ernst Stromer von Reichenbach (1871—1952) zurück. Das Fossil wurde 1914 während einer Expedition in der ägyptischen Bahariya-Oase entdeckt. Später gelangte es zu Stromer nach München. Dort wurde es in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie aufbewahrt, die sich zu dem Zeitpunkt in der Alten Akademie in der Münchner Innenstadt befand. Stromer ordnete das Fossil der Gattung Carcharodontosaurus, Haizahn-Echse, zu. Mit rund zehn Metern Länge einer der größten bekannten landlebenden Fleischfresser der Erdgeschichte — vergleichbar in seiner Größe mit dem etwas jüngeren Tyrannosaurus rex aus Nordamerika.

Skelettreste des Tameryraptor markgrafi in Ausstellung in der Alten Akademie. Aufgenommen an einem unbestimmten Zeitpunkt vor Zerstörung des Materials im April 1944, Universitätsarchiv Tübingen (Bildautor unbekannt)

Am 21. Juli 1944 wurde das Gebäude der Alten Akademie bei einem Luftangriff auf München von einer Bombe getroffen und brannte aus. Ein Großteil der damaligen Sammlung, darunter auch sämtliche ägyptische Dinosaurierfossilien, fielen dem Bombardement zum Opfer. Danach gerieten die Funde in Vergessenheit. Einzige Überbleibsel der kreidezeitlichen Dinosaurier Ägyptens sind Stromers Notizen, Illustrationen der Knochen und einige wenige Fotos des Originals.

Im Rahmen neuer Recherchen stieß der Paläontologe Maximilian Kellermann, Masterstudent an der LMU München, nun auf neue, bisher unbekannte Fotos des Raubsauriers. Die Bilder zeigen das Original-Skelett aus Ägypten — bestehend aus Teilen des Schädels, der Wirbelsäule und der Hinterbeine — vor seiner Zerstörung in der Ausstellung der Alten Akademie. Zusammen mit dem Dinosaurierspezialisten Prof. Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie und der Raubsaurierforscherin Dr. Elena Cuesta, LMU München, wertete Kellermann das Bildmaterial aus.

Kolorierte Detailansicht der Skelettreste des Tameryraptor markgrafi in Ausstellung in der Alten Akademie. (Bildautor unbekannt)

„Was wir auf den historischen Bildern sahen, hat uns alle überrascht. Das dort abgebildete ägyptische Raubsaurier-Skelett unterscheidet sich deutlich von neueren Carcharodontosaurus-Funden aus Marokko“, sagt Maximilian Kellermann, Erstautor der Studie.

„Wir identifizierten hier eine bisher unbekannte Raubsaurierart und haben ihr den Namen Tameryraptor markgrafi“ gegeben.“

Tameryraptor war etwa zehn Meter lang, besaß symmetrische Zähne und ein markantes Nasenhorn. Der Name bezieht sich auf die altägyptische Bezeichnung für Ägypten „Tamery“, das gelobte Land, und ehrt Stromers Fossiliensammler Richard Markgraf, der diesen Dinosaurierrest ausgegraben hatte.