Strom aus Bakterien

Strom aus Bakterien

27. Juli 2018 | von Thorsten Naeser

Ein deutsch-israelisches Forscherteam hat Elektroden mit lebenden Cyanobakterien beschichtet. Fällt Licht auf das System, produziert es Strom. Im Gegensatz zu früheren Experimenten mussten die Wissenschaftler keine Moleküle für die Aufnahme oder Abgabe von Elektronen hinzufügen, sondern nutzten die in den natürlichen Zellen enthaltenen Substanzen.

Die Suche nach nachhaltigen Wegen für die Energieproduktion ist in vollem Gang. Mikroorganismen oder aus ihnen extrahierte Biomoleküle, wie bestimmte Photosynthese-Proteine, könnten helfen, effizient Strom aus Licht zu gewinnen. „Isolierte Moleküle sind in der Regel aber nicht auf lange Sicht stabil“, erklärt Dr. Felipe Conzuelo von der Ruhr Universität Bochum. Conzuelo und seine Kollegen haben deshalb nun einen alternativen Weg eingeschlagen. Sie verwendeten lebende Zellen und kombinierten diese mit den Elektroden um Strom zu erzeugen. Ein Vorteil lebender Zellen ist, dass sie eine Reparaturmaschinerie besitzen, um Zellschäden zu beseitigen. Das System regeneriert sich also selbst. Eine Herausforderung bei der Arbeit mit lebenden Organismen ist jedoch, die Elektronen – also den Strom – aus der Zelle herauszubekommen und für eine technische Anwendung zu nutzen. Genau das gelang nun dem Forscherteam.

Die Wissenschaftler verwendeten Cyanobakterien. Cyanobakterien besitzen zwei Systeme für die Energieproduktion bei Licht und bei Dunkelheit. Bei Licht findet Photosynthese statt, wobei Wasserstoff und Kohlendioxid verbraucht werden, um Zuckermoleküle und Sauerstoff zu erzeugen. Der Prozess setzt eine Elektronentransportkette in Gang, die die Produktion von Energiespeichermolekülen wie ATP antreibt. Bei Dunkelheit werden in der sogenannten Zellatmung die gespeicherten Zuckermoleküle unter Verbrauch von Sauerstoff wieder zerlegt, um Energie zu gewinnen. Auch hier spielt der Elektronentransport eine entscheidende Rolle.

 

Mit ihrer Cyanobakterien-beschichteten Graphit-Elektrode konnten die Forscher Elektronen aus beiden Prozessen, der Photosynthese und Zellatmung, ableiten und so einen Stromfluss außerhalb der Zelle generieren – und zwar effizienter als in früheren Systemen. Sie fanden heraus, dass ein kleines lösliches Molekül aus den Zellen austritt und die Elektronen zur Elektrodenoberfläche transportiert. Das gelang jedoch nur in ausreichendem Maße, wenn die Forscher die Zellen sanft vorbehandelten, bevor sie auf die Elektrode aufgetragen wurden. Zu diesem Zweck wurden die Zellen etwas gepresst, sodass die Zellwand nicht mehr vollständig intakt war.

„Es ist nach unserem Wissensstand das erste Mal, dass ein solches Vermittlermolekül gefunden wurde, das aus den lebenden Zellen stammt, deren Zellwand durchwandert und so Elektronen nach außen transportiert“, sagt Dr. Fangyuan Zhao vom Zentrum für Elektrochemie. Um welche Substanz es sich dabei genau handelt, ist noch unbekannt. Die Analysen ergaben jedoch, dass es ein relativ kleines, wasserlösliches Molekül sein muss, das Zellwände und Membranen passieren kann.

„Wir glauben, dass das Cyanobakterien-System das Potenzial hat, eine grüne Energiequelle zu werden“, resümiert Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann, Leiter des Bochumer Lehrstuhls für Analytische Chemie. „Mit Modifikationen sollte es in der Lage sein, lichtgetrieben Strom über eine lange Zeit zu produzieren – weil es alles mitbringt, um sich immer wieder selbst zu regenerieren.“

 

Originalveröffentlichung

 

Gadiel Saper et al.: Live cyanobacteria produce photocurrent and hydrogen using both the respiratory and photosynthetic systems, in: Nature Communications, 2018, DOI: 10.1038/s41467-018-04613-x