Augen sehen einzelne Photonen
orscher am Wiener Institut für Molekulare Pathologie (IMP) und an der Rockefeller University in New York haben erstmals nachgewiesen, dass Menschen ein einzelnes Photon wahrnehmen können.
Wo liegt die absolute Untergrenze der menschlichen Sehfähigkeit? Trotz zahlreicher Studien seit den 1970er Jahren konnte diese Frage bisher nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Immerhin wusste man schon, dass Menschen Lichtblitze wahrnehmen, die aus fünf bis sieben Photonen bestehen. Ob ein einzelnes Photon sichtbar ist, blieb lange Zeit ungeklärt.
Ein interdisziplinäres Team unter der Leitung des Quantenphysikers Alipasha Vaziri konnte diese Frage nun positiv beantworten. Vaziri ist Associate Professor und Leiter des Laboratory of Neurotechnology & Biophysics an der Rockefeller University und leitet eine Arbeitsgruppe am IMP in Wien, wo die Experimente durchgeführt wurden.
„Wir konnten erstmals zeigen, dass das menschliche Auge tatsächlich imstande ist, ein einzelnes Photon zu erkennen”, erklärt Alipasha Vaziri. „Das ist bemerkenswert und zeigt, bis zu welch erstaunlicher Effizienz die Evolution die Empfindlichkeit der Sinnesorgane vorantreibt, in diesem Fall bis zur Einheit der physikalischen Größe selbst.”
Was den Physiker besonders fasziniert: „Hier trifft ein Photon, die kleinste Einheit des Lichts, auf ein biologisches System, bestehend aus Milliarden von Zellen. Das schwache Signal durchläuft mehrere Schritte biologischer Signalverarbeitung bis hin zur bewussten Wahrnehmung und geht trotz aller Quellen des Rauschens nicht verloren. Zu allem Überfluss ist die Umgebung warm und feucht – normalerweise ein wahrer Albtraum für Messungen auf der Quantenebene. Jeder von Menschen gebaute Detektor müsste stark gekühlt und sorgfältig abgeschirmt werden, um solche Ergebnisse zu liefern.”
Bisherige Versuche waren daran gescheitert, dass weder die Technologie zur Verfügung stand noch die psycho-physikalischen Ansätze. Vaziri: „Es ist nicht einfach, Licht zu erzeugen, das aus genau einem oder einer definierten Anzahl von Photonen besteht. In Licht aus klassischen Quellen ist die Photonenenzahl statistisch verteilt. Durch Dimmen kann man nur die mittlere Photonenzahl eines Lichtpulses verringern, die exakte Anzahl ist nicht bestimmbar.”
Das Fehlen geeigneter Lichtquellen war demnach eine große Herausforderung bei der Entwicklung des Experiments. Die Forscher lösten das Problem, indem sie eine Lichtquelle konstruierten, die bisher nur im Bereich der Quantenoptik und Quanteninformation zum Einsatz kam. Das Prinzip basiert auf der sogenannten spontanen parametrischen Fluoreszenz, bei der ein energiereiches Photon in einem optischen Kristall spontan in zwei verschränkte Photonen mit niedrigerer Energie zerfällt, wobei die Summe der Energien der beiden Photonen der des ursprünglichen entspricht. Im Versuch wurde jeweils eines der Photonen zum Auge der Versuchsperson geleitet, während das andere gleichzeitig auf einen Detektor traf.
„Das Set-up dieser Kamera war eine harte Nuss“, erzählt Jonathan Tinsley, der als Master-Student einen Teil der Experimente durchführte. „Außerdem mussten wir für die Versuche spezielle Dunkelkammern bauen, die Licht und Geräusche perfekt abschirmten.“
Das Team wählte für die Experimente die Methode der erzwungenen Wahl, bei der die Probanden bei jedem Durchgang aus zwei Alternativen wählen müssen. Die Versuchspersonen mussten sich zwischen zwei Zeitintervallen entscheiden, von denen nur in einem ein Photon aufblitzte. Mehr als 30.000 solcher Durchgänge wurden schließlich ausgewertet und zeigten deutlich, dass einzelne Photonen vom menschliche Auge wahrgenommen werden. Und die Versuche lieferten ein weiteres unerwartetes Ergebnis: die Chance, ein Photon wahrzunehmen, stieg an, wenn kurz zuvor bereits ein Photon ins Auge eingetroffen war.