Pflanzen haben Entscheidungsfreiheit

Pflanzen haben Entscheidungsfreiheit

18. Januar 2018

Pflanzen können individuell auf Höhe und Wuchsdichte ihrer benachbarten Pflanzen reagieren. Das haben Biologinnen der Universität Tübingen jetzt gezeigt.

Pflanzen sind in der Lage, auf unterschiedliche Konkurrenzsituationen mit unterschiedlichen Strategien zu reagieren. Biologinnen vom Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen konnten zeigen, dass die Reaktionen sich an Höhe und Wuchsdichte der Konkurrenz orientieren. Die Forscherinnen zeigen, dass sich Pflanzen zwischen verschiedenen Reaktionen auf Konkurrenz entscheiden können.

Pflanzen erkennen die Anwesenheit von konkurrierenden Pflanzen etwa an einer reduzierten Lichtmenge oder an den veränderten Anteilen von hellroten zu dunkelroten Wellenlängen, wenn Licht durch Blätter gefiltert wird. Sie reagieren darauf entweder mit Konfrontation, indem sie über ihre Konkurrenten hinauswachsen und diese beschatten oder mit Toleranz, welche erlaubt auch im Schatten zu gedeihen. Manche Pflanzen, vor allem solche, die sich klonal über Ausläufer fortpflanzen, zeigen eine weitere Reaktion, indem sie seitlich aus dem Umfeld der Nachbarn herauswachsen und somit Konkurrenz vermeiden.

„Diese drei Alternativen in Konkurrenz um Licht sind bereits bekannt“, sagt Michal Gruntman. „Wir haben jetzt untersucht, ob Pflanzen zwischen diesen Reaktionsmöglichkeiten wählen und passend auf Größe und Dichte der Konkurrenten reagieren.“

In ihrem Experiment simulierten die Wissenschaftlerinnen für die klonale Pflanze Kriechendes Fingerkraut verschiedene Szenarien eines Wettbewerbs um Licht. Sie verwendeten Hochkantstreifen als transparente Grünfilter, die sowohl Lichtmenge als auch das Verhältnis von hellroten zu dunkelroten Wellenlängen veränderten und somit Konkurrenz mit Nachbarn um Licht realistisch simulierten. Für verschiedene Szenarien variierten sie die Höhe und Dichte der vermeintlichen konkurrierenden Vegetation.

Fingerkraut

Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Fingerkraut in der Tat zwischen Reaktionen entscheiden konnte. Es investierte ins Längenwachstum, wenn die Simulation kurz- und dichtwachsende Nachbarspflanzen vorgab ‒ also Konkurrenten, die sich nicht seitwärts umgehen ließen, aber klein genug waren, um in der Höhe überwachsen zu werden. Wurden hoch- wie auch dichtwachsende Nachbarspflanzen simuliert, bei denen weder Flucht noch Konfrontation möglich war, entwickelten die Testpflanzen die höchste Schattentoleranz. Bei hohen aber licht wachsenden Nachbarpflanzen war die häufigste Reaktion ein seitwärts gerichtetes Wachstum mit Hilfe von Ausläufern.

„Die Ergebnisse zeigen, dass Pflanzen die Dichte und die Wettbewerbsfähigkeiten ihrer Nachbarpflanzen einschätzen und ihre Reaktionen anpassen“, erklärt Gruntman. Die Fähigkeit, je nach Ergebnis zwischen verschiedenen Reaktionen zu wählen, könnte vor allem in einem Umfeld in dem Pflanzen neben Nachbarn wachsen, die sich in Größe, Alter oder Dichte unterscheiden‚ eine Rolle spielen. Sie sind also in der Lage, die angemessene Strategie zu wählen. Die Experimente untermauern die Fähigkeit von Pflanzen, komplexe Informationen über ihre Umgebung zu integrieren und darauf optimal zu reagieren.

 

Publikation:

Michal Gruntman, Dorothee Groß, Maria Májeková and Katja Tielbörger. Decision-making in plants under competition. Nature Communications 2017, DOI: 10.1038/s41467-017-02147-2