Mit Laserlicht zu neuen Wirkstoffen
m Jahr 2060 müssen Patienten nur noch minimale Mengen an Arzneien einnehmen. Die Medikamente entfalten eine noch nie erreichte Effizienz in ihrer Wirkung. Möglich machen das völlig neue Techniken in der Produktion von Arzneien. Man ist nun in der Lage einzelne Atome in Molekülen nach Belieben mit Laserlicht anzuordnen. An den Grundlagen für diese Technologie arbeiten gerade Laserphysiker des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Ein großes Forschungslabor für Medikamente im Jahr 2060: Nur das sanfte Rauschen der Kühlung des Labors ist zu hören bis sich der Motor eines Fließbandes in Bewegung setzt. Am Fließband befestigt befinden sich kleine Reagenzgläser und darin minimale Mengen an Flüssigkeiten. Ruckartig befördert das Fließband die Gläser - eins nach dem anderen - in eine Position mitten im Labor. Kaum sind die Gläser dort angekommen, richten sich direkt auf sie kleine Spitzen aus Edelstahl aus. Durch diese Nadeln schießen 100.000 Mal in der Sekunde ultrakurze Laserpulse genau auf die Flüssigkeiten in den Gläsern. Für eine Dosis dauert die ganze Prozedur keine fünf Sekunden, dann ist das nächste Reagenzglas an der Reihe.
Was in den Reagenzgläsern während des Beschusses mit dem Laserlicht vor sich geht, sind nur minimale Veränderungen im Aussehen der Moleküle, aus denen die Flüssigkeit besteht. Das Laserlicht verändert die Anordnung der Atome in den Molekülen. Dadurch verändert es komplett deren ursprüngliche Struktur. Die Bioingenieure bauen damit Substanzen so um, dass sie diese sehr gezielt als Medikamente mit einer maximalen Wirkung zum Einsatz bringen.
Einzelne Atome in Molekülen mit Licht zu dirigieren und damit neue Substanzen oder Stoffe zu erschaffen, ist heute noch eine kühne Vision von Forschern und Chemikern. Doch was gerade noch Wunschvorstellung ist, könnte durchaus zur Realität in ein paar Jahrzehnten werden. Schon heute gelingt es einzelne Atome in Molekülen mit Hilfe von Licht zu verschieben. Das haben gerade Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians Universität München gezeigt. Die Forscher haben mit Licht Kohlenwasserstoffe umgebaut. Dazu lösten sie mit ultrakurzen Laserpulsen einen der äußeren Wasserstoffatome an einem Kohlenwasserstoffmolekül und dirigierten es anschließend auf die gegenüberliegende Seite. Dort dockte das Proton wieder an.
Das alles passierte unvorstellbar schnell – innerhalb von wenigen Millionsteln einer Milliardstel Sekunde. In dem Versuch traf ein ultrakurzer Laserpuls ein Acetylen-Molekül. Das symmetrisch, langgestreckte Kohlenstoffmolekül mit jeweils einem Wasserstoffatom an seinen äußeren Flanken, kam ins Taumeln, und wurde ionisiert, wodurch sich das Molekül im Laserfeld ausrichtete. Anschließend löste sich blitzschnell auf der einen Seite des Kohlenstoffs ein Wasserstoffatom, wanderte auf die andere Seite des Moleküls und dockte dort wieder an.
Bewegungen von Elektronen und Atomen sind elementare Vorgänge bei chemischen Prozessen in der Natur. Mit Lasertechnologie ist der Mensch heute schon bedingt in der Lage, auf diese Bewegungen Einfluss zu nehmen. „Unsere Experimente haben gezeigt, dass wir nicht nur Elektronen im Mikrokosmos dirigieren können, sondern auch die rund 2000 Mal schwereren Wasserstoffatome“, erklärt Prof. Matthias Kling, der Leiter der Arbeitsgruppe Ultraschnelle Nanophotonik im LMU-Team.
Die Forscher haben es mit ihrem Versuch geschafft, mit Licht Materie neu zu definieren. „Wir hoffen, mit unserer Methode künftig die verschiedensten Arten von Stoffen zerlegen und neu zusammensetzen zu können“, sagt Matthias Kling.
In den Medizinlaboren der Zukunft könnte diese Technik eine neue Ära der Wirkstoffproduktion bedeuten. Denn manchmal reicht schon eine kleine Veränderung in der Substanz aus um mit ihr eine völlig neue chemische Wirkung zum Beispiel in einem Organismus zu erzielen. Ebenso ist es denkbar, dass es den Bioingenieuren in Zukunft gelingt, mit dieser Technik Medikamente so passgenau zu designen, dass schon minimale Dosen ausreichen um eine Krankheit in ihren atomaren Strukturen, also direkt an ihrem Ursprung erfolgreich zu bekämpfen.