Die Grenzen der Lichtgeschwindigkeit

Die Grenzen der Lichtgeschwindigkeit

10. Dezember 2015 | von Nils Haag

Das Licht erscheint uns meist als unendlich schnell. Das Anschalten einer Lampe passiert ohne merkliche Verzögerung und selbst der Informationsaustausch über Glasfaser rund um die Welt geschieht heutzutage sofort. Aber gibt es Bereiche, in denen wir bemerken, dass die Lichtgeschwindigkeit eigentlich begrenzt ist? Welche Größenordnungen müssen wir betrachten, um die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit wahrzunehmen?

Seit vielen Jahrtausenden dient uns Licht als Bote für Informationen. Leuchttürme leiten Schiffe seit jeher in den Hafen und warnen vor Untiefen und an Land transportierten Signalfeuer Meldungen nahezu ohne Verzögerung über Strecken, für die Reiter Wochen benötigt hätten. Der Römische Limes beinhaltete fast tausend Wachtürme über eine Strecke von mehreren hundert Kilometern und die alten Chinesen errichteten nach Schätzungen über zwanzigtausend Signalwachtürme als Teil der Chinesischen Mauer, und mehr als zehntausend weitere, um die Botschaft von Angriffen direkt in die Hauptstadt zu tragen.

So gut Licht als Mittel zur sofortigen Informationsübertragung galt und immer noch gilt, ist es mit etwa 300.000 Kilometern pro Sekunde allerdings nicht unendlich schnell. Die Entfernung zwischen München und Hamburg legt es jedoch in nur zwei Millisekunden zurück. Bis ins späte 17. Jahrhundert gab es aufgrund ihres großen Wertes keinen Beweis für die Begrenztheit der Lichtgeschwindigkeit, da alle Beobachtungen bis dato mit einer unendlich schnellen Lichtausbreitung in Einklang zu bringen waren. Für die damaligen Anwendungen hatte die Diskussion um ein Limit der Ausbreitungsgeschwindigkeit eher einen philosophischen und theoretischen Wert, da es keine technischen Geräte und physikalischen Probleme gab, für die dies eine Rolle gespielt hätte.

Erst heutzutage begreifen und berücksichtigen wir die Lichtlaufzeit auch auf Größenordnungen des alltäglichen Lebens als beschränkenden Faktor. So arbeiten beispielsweise unsere Computer mit Taktraten im Gigahertzbereich — dies entspricht etwa einer Rechenoperation pro Nanosekunde. Da sich auch die elektrischen Signale in Computern maximal mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnen können, stoßen wir mit unseren Rechnern in Bereiche vor, bei der die Laufzeit der Lichtsignale oder der elektrischen Impulse miteinbezogen werden muss. Denn in einer Nanosekunde legt Licht eine Strecke von ca. 30 cm zurück und dies entspricht der typischen räumlichen Größenordnung unserer heutigen elektronischen Geräte. Die moderne Signalverarbeitung hat somit heute nicht nur rein technische Herausforderungen zu meistern, sondern stößt sogar an grundlegende physikalische Grenzen.

Im frühen Verlauf der Diskussionen über die (Un)endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit konnte erst ein Blick in den Himmel zur Klärung führen. Betrachten wir nämlich die Zeit, die Licht für interplanetare Distanzen benötigt, haben wir es mit einfach messbaren Werten zu tun. Als der Däne Ole Rømer im Jahr 1676 Abweichungen zwischen der Berechnung der Umlaufbahn des Jupitermondes Io und seiner Beobachtung derselben zu verschiedenen Jahreszeiten richtig interpretierte, war der Beweis erbracht, dass Licht sich nicht unendlich schnell ausbreitete. Er konnte messen, dass Licht für den Durchmesser der Erdumlaufbahn um die Sonne (etwa 300 Millionen Kilometer) mehr als eine Viertelstunde benötigte.

Verlassen wir unser Sonnensystem, finden wir im Umkreis von mehreren Billionen Kilometern kaum mehr als leeren Raum. Man spricht bei solch riesigen Abständen nicht mehr von Kilometern, sondern gibt diese Distanzen in der Zeit an, die das Licht benötigt, um diese Strecke zurückzulegen. Das Licht von dem zu unserer Sonne nächsten Stern — Proxima Centauri — braucht etwa vier Jahre bis zur Erde, d.h. er ist vier Lichtjahre weit entfernt. Ein Lichtjahr entspricht etwa zehn Billionen Kilometern.

Selbst wenn wir die technischen Möglichkeiten hätten, Raumschiffe zu bauen, die genug Energiereserven mitführen und das langfristige Überleben der Besatzung garantieren könnten, wären wir zu diesem nächsten Stern Jahrzehnte unterwegs. Allein die Beschleunigung auf ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit würde bei einer Beschleunigung, die der Erdanziehung auf der Erdoberfläche entspricht (10 m/s pro Sekunde) etwa einen Monat dauern. Hätte das Raumschiff eine Masse von 3.000 Tonnen — zum Vergleich: das ist die Masse der Mondflugrakete Saturn V des Apolloprogramms — würde die für den Beschleunigungsprozess benötigte Energie mehr als dem Doppeltem des Weltjahresbedarfs an Energie entsprechen. Die gleiche Energie und Zeit benötigt man natürlich ebenfalls zum Abbremsen am Bestimmungsort. Zudem hätte der Treibstoff selbst im Falle einer möglichen Nutzung der Kernfusion ein Vielfaches mehr an Masse als die angenommenen 3.000 Tonnen Gesamtgewicht. Es sieht also ziemlich schlecht für unsere Reise zu anderen Sternen aus.

Der nächste Stern ist dabei vergleichsweise nah an der Erde! Etwa hundert Milliarden Sterne gibt es alleine in unserer Galaxie, der Milchstraße, die einen Durchmesser von ungefähr 100.000 Lichtjahren hat. Wir selbst sitzen etwa 25.000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt und blicken auf Sterne, die das bei uns eintreffende Licht vor hunderten und tausenden von Jahren emittierten. Von ihnen erreicht uns ein Foto, aufgenommen zur der Zeit, als sie das Licht aussandten. Da das Licht von jedem Stern wegen der unterschiedlichen Distanzen unterschiedlich lange zu uns auf der Reise ist, sehen wir bei einer Aufnahme des Sternenhimmels mit unseren modernen Teleskopen ein Bild von der Struktur der Galaxie, wie sie zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte des Universums in dieser Form existiert hat.

Sollte es an irgendeinem Ort in der Milchstraße noch weiteres intelligentes Leben geben, stellt allein die Begrenztheit der Lichtgeschwindigkeit schon ein ernstzunehmendes Problem für einen möglichen Dialog dar. Angenommen, wir hätten so starke Sender und so gute Detektoren, dass wir über galaktische Distanzen Signale versenden und empfangen könnten, wäre unser Funksignal viel zu lange unterwegs, um eine sinnvolle Unterhaltung zu führen. Sollten wir jemals ein Signal erhalten, so würde die Zivilisation, die dieses Signal geschickt hat, vielleicht schon gar nicht mehr existieren.

Nach unserem Verständnis der Physik existiert nichts, was schneller ist, als das Licht. Dies begrenzt schon heute unsere technischen Möglichkeiten der Signalverarbeitung, wie allein durch die räumliche Ausdehnung unserer Elektronik und Computer. Doch spielt auf kleinen Distanzen, wie sie auf unserer Erde vorkommen, die Begrenztheit der Lichtgeschwindigkeit sonst kaum eine Rolle, müssen wir diese bei interstellaren Distanzen sehr wohl mit berücksichtigen. So ist jeder Blick auf die Sterne auch eine Zeitreise in die Vergangenheit unserer Galaxie.

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